Aktuelles
Walter Moers im Gespräch über sein neues Werk »Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte«
Lieber Herr Moers, Ihr neues Buch »Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte« versammelt »Zwanzig zamonische Flabeln«. Was ist das, eine Flabel?
Die Lachfabel, abgekürzt »Flabel« genannt ist der Definition des Regelwerks der zamonischen Literatur zufolge eine humorvolle Kurzgeschichte mit zamonischen Daseinsformen, die mindestens sieben Schmunzler, drei Lacher und ein Scherzfinale enthalten sollte. Auch dass sie ohne jegliche Moral auskommt, unterscheidet sie von der altmodischen Fabel.
Warum ist – laut Ihrem Nachwort – »Humor ein ernstes Geschäft«?
Das habe ich im Nachwort ausführlich erklärt. Verkürzt könnte man sagen, dass die sogenannte »ernsthafte Literatur« maßlos überschätzt wird. Aus eigener Erfahrung kann ich behaupten, dass es relativ einfach ist, eine tragische Geschichte zu schreiben. Aber erfinden sie mal einen wirklich guten Witz! Geschweige denn eine Flabel mit sieben Schmunzlern, drei Lachern und einem fulminanten Scherzfinale. Das ist harte Arbeit, da vergeht einem das Lachen.
Dem Humor ist auch die Ausstellung »Was gibt’s denn da zu lachen?« gewidmet, die ab September Ihr Werk in Oberhausen, danach in Frankfurt präsentiert. Was erwartet uns dort? Wie kommt es zu so einer Humor-Offensive in tristen Zeiten?
Ich bin ja eigentlich mehr für meine spröden und schwermütigen Romane bekannt, da habe ich gedacht: »Jetzt mach dich mal locker! Versuchs mal mit ein bisschen Humor!« Ernsthaft: Die Ausstellungsmacherin hat sich - nicht ganz zu Unrecht - gedacht, dass in Zeiten wie diesen der Humor und das Lachen etwas zu kurz kommen. Und dass es noch etwas anderes gibt als Kriege, Pandemien und Gendersternchen. Und dass das verbindende Stilmittel in all meinen Arbeiten, die ja inhaltlich recht abwechslungsreich sind, der Humor ist. Wir werden einen Überblick sehen über mein Gesamtwerk mit einem klaren Schwerpunkt bei den zeichnerischen Arbeiten der letzten zehn Jahre, die zum allergrößten Teil noch niemals im Original ausgestellt worden sind.
Viele Ihrer Romane haben einige hundert Seiten. Ist ein Buch mit kurzen Flabeln im Vergleich zu einem Großwerk wie »Die Insel der tausend Leuchttürme« eine Fingerübung für Sie?
Ich habe schon immer gerne kurze Formen bedient, früher in meinen Comics oder meiner Arbeit für Fernsehserien. Diese Kurzformen kamen bei der Arbeit an den Romanen etwas kurz, so dass sich bei mir eine regelrechte Sehnsucht nach Kurzem aufgestaut hat. Die hat sich auf einmal explosionsartig in diesen Kurzgeschichten aufgelöst - kurz gesagt. Oder möchten Sie die Langfassung hören?
Nein, danke! Ihre Wortneuschöpfungen sind legendär. Woher nehmen Sie die Inspiration für die Einhörnchen, Kratzen und Co.?
Die deutsche Sprache eignet sich nun mal sehr gut dafür. Nehmen wir nur mal das Wort »Bratwurst«. Wenn man darin nur zwei Buchstaben vertauscht und »Bartwurst« draus macht, wird aus etwas Leckerem etwas total Unappetitliches. Sowas finde ich faszinierend.
Die Flabeln spielen zwar in Zamonien, erstmals aber gibt es dort Dinge aus unserer Welt wie zum Beispiel Lieferdienste. Wie kommts?
In der Zamonienwelt wimmelt es eigentlich von Dingen aus unserer Welt. Diesmal bin ich nur einen Schritt weiter gegangen und habe diese Dinge mit ihren wirklichen Namen benannt, statt sie zu zamonisieren. Sonst wäre aus den Kurzgeschichten wieder ein Roman geworden.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie das erste Mal die Hörbuchfassung eines Ihrer Bücher anhören?
Ich lauere wie ein Geier auf Fehler, die Andreas Fröhlich machen könnte, um mich dann darauf stürzen und ihm vorwerfen zu können, dass er meinen Text falsch interpretiert hat. Aber das ist noch nie geschehen. Bei den Flabeln und ihrer Vielzahl von Protagonisten und Stimmfarben hat er sich wieder einmal selbst übertroffen.
Was schätzen Sie an der Interpretation von Andreas Fröhlich? Und findet er für Ihre Figuren die Stimmen, die Sie sich selbst beim Schreiben vorgestellt hatten?
Ich kenne die Stimme von Andreas Fröhlich schon sehr lange von seinen genialen Synchronarbeiten für Schauspieler wie John Cusack oder Edward Norton oder für Gollum in »Herr der Ringe«. Er hat ein sehr rares komisches Timing und die Fähigkeit, zahllose unterschiedliche Stimmen zu generieren und dabei trotzdem immer wieder scheinbar mühelos in die Erzählstimme zurückzufinden. Das können nur ganz wenige professionelle Sprecher. Deswegen war ich so glücklich, als wir ihn für meine Hörbücher gewinnen konnten.
Und die letzte, obligatorische Frage: Arbeiten Sie schon am nächsten Buch? Können Sie schon etwas verraten?
Momentan gehe ich fremd und arbeite an einem dicken Buch von und über Edward Gorey, das zu seinem 100. Geburtstag in der ANDEREN BIBLIOTHEK erscheinen wird. Dafür darf ich die Bilder und Geschichten aussuchen, ein bisschen biographischen Text schreiben und übersetzen. Der nächste Zamonienroman geht auch langsam seiner Finalisierung entgegen. Dazu kann ich bisher nur sagen, dass sein Protagonist aus dem Blaubärroman stammt und er in anderen Dimensionen spielt.
Walter Moers über Booknooks
Seit einiger Zeit beobachte ich ein neues Phänomen, das besonders bei Büchersammlern, Bücherfressern und Bibliophilen aller Art immer beliebter wird: das sogenannte BOOKNOOK. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Buchstütze und miniaturisiertem Diorama, welches in jedes normale Bücherregal passen sollte und manchmal beleuchtet ist. Die darin dargestellten Szenen sind meist literarischen Ursprungs, oft beliebte Schauplätze aus Bestsellern wie etwa der Diagon Alley aus Harry Potter oder Hobbithöhlen usw. Viele Booknooks sind von Bastlern hergestellte Unikate, aber es gibt auch industriell und in Serie gefertigte Booknooks, die häufig als Bausatz angeboten werden.
So attraktiv, dass ich selber einen dieser Booknooks besitzen wollte, fand ich bisher keinen. Entweder waren die verwendeten Materialien nicht wertig oder die Gestaltung und Verarbeitung machte einen wenig überzeugenden Eindruck. Ich habe dieses Thema schließlich mit Carsten Sommer (www.carstensommer-objekte.de) besprochen – und so kamen wir auf die Idee, ein ZAMONISCHES BOOKNOOK herzustellen, das uns selbst in jeglicher Hinsicht überzeugt. Weil es:
1. aus haltbaren Materialien und mit lichtechten Farben hergestellt wird, also qualitativ absolut hochwertig ist.
2. professionell und detailliert modelliert und handwerklich perfekt verbaut ist und
3. nur in einer limitierten Auflage herstellbar ist.
Über das Motiv waren wir uns rasch einig. Nach einem knappen Jahr Entwicklungszeit können wir nun den Prototyp des Booknooks HILDEGUNST VON MYTHENMETZ IN DEN KATAKOMBEN VON BUCHHAIM präsentieren. Carstens Sommers Ergebnis übertrifft alle meine Erwartungen.
Je länger der Entwicklungsprozess dauerte, desto mehr wurde deutlich, dass der Kreativ- und Arbeitsaufwand von Carsten Sommer für jedes einzelne Exemplar gewaltig sein würde. Das schlägt sich einerseits im Preis für dieses in aufwändiger Handarbeit gefertigte Kunstobjekt nieder. Andererseits muss diese Booknook-Edition beschränkt werden, denn nur so ist Carsten Sommer in der Lage, in einem überschaubaren Zeitraum gleichbleibend hohe Qualität zu produzieren.
Für mich war die Entwicklung dieses Objektes ein in jeder Hinsicht aufregendes Unterfangen: HILDEGUNST VON MYTHENMETZ IN DEN KATAKOMBEN VON BUCHHAIM ist das erste Booknook-Multiple der Welt geworden – nicht mehr und nicht weniger.
Walter Moers